Ein Beispiel für ein Change-Projekt: schwierig, aber gut

Worum ging es bei dem Projekt?

Die Bildungslandschaft des Konzerns, für den ich zu dieser Zeit arbeitete, war sehr heterogen – auch, weil der Konzern sich zu diesem Zeitpunkt gerade fünf bis zehn Jahre gezielt dezentralisiert hatte. Innerhalb des Konzerns gab es 15 konzerninterne Bildungsanbieter. Sie hatten weder ein gemeinsames Bildungsverständnis noch einheitliche Bildungsstandards. Zwischen den internen Anbietern herrschte eher Konkurrenz als die Idee, gemeinsam einer Firma anzugehören.

Dies sollte sich ändern. Erklärtes Ziel war es, ein Modell aufzubauen, in dem die unterschiedlichen Kompetenzen vor Ort je nach Stärke genutzt werden konnten. Zugleich galt es, eine hierarchische Struktur auszuschließen, die ihre Autorität nur aus der Nähe zur Macht begründet.

Neue Strukturen sollten dabei helfen: ein Center-of-Competence-Modell. Jedem Bildungsbereich wurde der Lead für ein Thema bundesweit zugeordnet. Lead hieß Themenführerschaft, und dazu gehörten Trainingskonzept, Trainerauswahl und Trainingsunterlagen. Die Aufgabe jedes Standorts war es, für sein Thema die Angebote zu standardisieren und diese den jeweils anderen Bildungseinheiten zur Verfügung zu stellen. Dieser Weg war steinig, aber erfolgreich. Alle mussten etwas abgeben, und alle haben etwas bekommen.

 

Die Ausgangssituation:

In der Konzernzentrale wurden drei vorher selbstständige Bereiche zu einem zusammengefasst. Der Hintergrund dafür waren Umstrukturierungen und die Auflösung von Zwischenholdings. Von den drei bisherigen Bereichen hatte sich einer spezialisiert auf Personalentwicklungsmaßnahmen, einer auf Standard-Trainingsangebote und der dritte auf Vertriebsnetzunterstützungen (hauptsächlich Organisationsentwicklungs-Angebote und klassisches Vertriebstraining).

Die neue Struktur bedeutete auch: Drei Kulturen kamen zusammen – Werkskultur, Vertriebskultur und die Kultur einer neuen Zentralfunktion, die sich von allem abzusetzen versuchte. Rund 60 Kolleginnen und Kollegen kamen im neuen Team zusammen. Die nun überlappenden Funktionen mussten neu bestimmt und Doppelbesetzungen aufgehoben werden. Themen und Verantwortungen wurden neu zugeordnet, alle Arbeitsplätze neu bewertet, und für den neuen Bereich wurde eine neue Identität erarbeitet: mit allen kulturbildenden Elementen wie Vision, Image, Kundenauftritt und Prozessen. All dies sollte geschehen, ohne den operativen Betrieb zu unterbrechen. Und natürlich auch nicht davon abhängige Einnahmen als Profit-Center – bei fast 2000 Veranstaltungen jährlich keine Kleinigkeiten.

Der Auftrag:

Es galt, die Bereiche ohne Personalabbau zusammenzuführen, die Bereiche in die Profitabilitätszone zu führen und die Bildungsarbeit in der Konzernzentrale neu zu positionieren. Die Richtung war klar: vom Bildungswesen zur strategieunterstützenden Personal- und Organisationsentwicklung.

Der Lösungsansatz:

Zugrunde lag der Change-Management-Ansatz gemischt mit wertebasierter Scorecard-Einführung. Dafür waren viele einzelne Schritte nötig:
– je zweistündige Einzelgespräche mit allen Mitarbeitern der neuen Einheit
– Entwicklung einer Abteilungsvision mit den inhaltlichen Eckdaten (Themen, Zielgruppen)
– Auswahl einer neuen Führungsmannschaft
– Reduktion von 10 auf 6 Teams
– Strategieentwicklung für einen vierjährigen Change-Prozess, in dem jedes Jahr ein neuer Schritt hin zur Vision umgesetzt wurde
– Zusammenführung von 60 Mitarbeiter, die zuvor auf fünf Standorte verteilt waren, an einem Ort
– Neudefinition aller Aufbau- und Ablaufprozesse
– Fokus auf kulturbildenden Elemente
– größtmögliche Beteiligung aller Mitarbeiter an der Definition ihres zukünftigen Verantwortungsbereichs
– Einbeziehen übergeordneter Ebenen in den gleichzeitigen Strategieentwicklungsprozess
– Einbeziehen der mitbestimmenden Gremien unterschiedlicher Betriebsräte

Wie sich der Lösungsansatz in der Praxis bewährt hat:

Einige der eher aufwendigen Elemente haben sich noch Jahre später kulturell bemerkbar gemacht – darunter die vielen Einzelinterviews am Start und die hohe Personenorientierung in der Prozessgestaltung. Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor: die permanente mündliche Kommunikation über alle bevorstehenden Schritte und strategischen Ziele. Und die gab es wirklich durchgehend: auf Abteilungsebenen in den monatlichen oder anlassbezogenen sogenannten O-Ton-Meetings, in Treffen mit einzelnen Teams, in vielen Einzelgesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in Klausuren des Leitungsteams. Überall dort waren Kommunikation und Transparenz essenziell. Persönlichkeiten und Teams sind daran gewachsen. Vertrauen ist gewachsen – in die eigenen Fähigkeiten und auch darin, mit größeren äußeren Veränderungen zurechtzukommen, mit Veränderungen der eigenen Arbeitsroutinen und Sichtweisen.

Reaktionen auf den Erfolg:

Vier Jahre nach Beginn dieses Change-Prozesses hatte der Bereich ein nicht zu übersehendes Standing auch weit über seine Zuständigkeitsgrenzen hinaus erreicht. Als Anerkennung des Konzernvorstandes kann gewertet werden, dass weltweite Change-Projekte in die Verantwortung dieses Bereiches gegeben wurden. Eine Vielzahl von Mitarbeitern aus anderen Bereichen meldete den Wunsch an, hierher zu wechseln. Der Bereich war über die Grenzen der Firma hinaus bekannt. Es gab rege Nachfrage nach Vorträgen über diesen Prozess.